Mittwoch, 23. Mai 2012

Kapitel 2 (Karin)

„Wir wissen, dass du erst vor kurzem geheiratet hast“, sagte Drew und zwinkerte Savannah, die sich einen Scherz erlaubt hatte, zu. „Reneé hat es meiner Mutter erzählt als sie das letzte Mal bei uns angerufen hat. Deswegen sind wir auch in Wirklichkeit nach Forks gekommen. Wir wollten deinen Ehemann kennenlernen.“
Bella sah erschrocken zu den Bäumen hinüber und wusste nicht, was sie darauf sagen sollte. Natürlich wollte sie ihren Freundinnen, die sie schon seit dem fünften Schuljahr kannte, Edward, ihren Liebsten, nicht vorenthalten. Aber sie hatte schon so viele unschuldige Menschen in Gefahr gebracht. Da waren Charlie und Reneé, die sie liebte, die alle nach wie vor durch eine dunkle Macht bedroht wurden. Diese Macht hatte zwar noch keinen Namen, war aber trotzdem immer präsent.
„Wir könnten doch heute ein Essen für das frisch verheiratete Paar zubereiten“, schlug Savannah vor und Drew stimmte freudig ein.
„Ich weiß nicht…“, zierte sich Bella unsicher.
„Ach komm schon, erinnerst du dich nicht, wie schön es früher war? Wir haben zusammen Pizza bestellt und gemeinsam von unserer Zukunft geträumt“, sagte Savannah und schwelgte in der Vergangenheit, in der sie noch Teenager waren und über alles kicherten, was mit Jungs zu tun hatte.
Bella konnte sich die Zeit kaum ins Gedächtnis rufen. Sie war nur noch ein verschwommenes Bild, so weit weg, wie alles andere aus ihrem früheren Leben. Aber wenn sie es jetzt zuließ, dass die neunzehn Jahre, die nicht nur schlecht waren, aus ihrem Gedächtnis verschwanden, und sie keinerlei Bezug zu ihrer Vergangenheit hatte, würde sie dann nicht irgendwann auch die schönen Momente vergessen?
„Edward freut sich bestimmt euch kennenzulernen“, sagte Bella schließlich und überlegte sich schon eine Strategie, wie sie ihren Mann zu einem Essen überreden konnte, ohne dass sie dabei wirklich aßen. „Dann also bis heute Abend.“
Zum Abschied umarmte Bella ihre Freundinnen. Auch Savannah drückte Bella an sich und war froh, dass sie alle drei wieder vereint waren.

Bella stand unsicher vor dem Spiegel. Aus ihrem riesigen Kleiderschrank, den sie scherzhaft und nur vor Edward Kleiderkammer nannte, hatte sie schon zehn verschiedene Outfits anprobiert. Nichts passte wirklich zusammen. Ohne Alice war sie in Sachen Klamotten aufgeschmissen.
„Du siehst in Allem bezaubernd aus“, bemerkte Edward, der in einer dunkelblauen Jeans und einem weißen Hemd auf dem Bett lag und mit Renesmeé spielte.
„Ist deine Mama nicht die wunderschönste Mama der Welt?“
Renesmeé lächelte sanft und legte ihrem Vater die Hand auf die Wange. Edward sah in der Erinnerung seiner Tochter, wie liebreizend seine Frau in den Augen ihres Kindes wirkte und hauchte seiner Kleinen einen Luftkuss zu. Renesmeé fing ihn auf und gluckste glücklich vor sich hin.
„Bei dir wirkt es immer so mühelos. Du greifst etwas aus dem Schrank, ziehst es an und du siehst aus, als hätte Armani es dir höchstpersönlich auf den Leib geschneidert“, sagte Bella und verzog neidisch die Lippen zu einem Schmollmund.
„Wir sind schon spät dran“, erinnerte Edward Bella und tippte ungeduldig auf die Uhr.
„Du kannst ja Renesmeé zu Rosalie bringen“, sagte Bella, die ihr schwarzes Kleid von Chanel kritisch betrachtete. Noch bevor sie den Satz ausgesprochen hatte, war das Zimmer leer und sie allein. Ihr Blick fiel auf einen bestickten weißen Rock und einen schwarzen Kaschmirpullover, der eben noch nicht da gewesen war. „Danke“, sagte sie und wusste, dass Alice es auch von weitem hören konnte.
Es klingelte an der Tür und Bella, die Edwards Sinn für Romantik schon ganz gut kannte, wusste genau was er vorhatte. Sie ging zur Tür und obwohl sie nun nicht mehr mit ihrem menschlichen Gleichgewichtssinn zu kämpfen hatte, stolperte sie über ihre eigenen Füße.
„Alice hat es mit den Zehn-Zentimeter-Absätzen etwas übertrieben“, dachte sie und strich sich noch einmal über den Pullover und den knielangen Rock, denn sie wollte für ihren Ehemann perfekt aussehen.
„Wer ist da?“, fragte sie, obwohl sie genau wusste wer sich hinter der Tür befand.
„Hier ist Edward Cullen“, sagte Edward und Bella vernahm ein leises Kichern in seiner Stimme.
Sie öffnete die Tür und Edward hielt ihr einen riesigen Blumenstrauß entgegen. Es waren ihre Lieblingsblumen: wilde Mohnblumen.
„Wir hatten nie eine zweite Verabredung. Es ging alles so schnell“, sagte er und lächelte so charmant, dass Bella lieber zu Hause bleiben wollte und sie sich in Gedanken schon auf dem Weg in ihr Schlafzimmer befand. „Nein, Bella. Wir werden jetzt zum Haus deiner Freundinnen gehen, weil sie uns ein schmackhaftes Essen zubereitetet haben.“
„Aber wir essen es doch sowieso nicht.“

Mit Edwards neuem, nachtblauem Ferrari fuhren sie die mit Bäumen gesäumte Hauptstraße von Forks entlang. Der Motor knurrte so bedrohlich, dass Bella dachte, Jakob lief in Wolfsgestalt hinter ihnen her, weil etwas passiert war. Aber als sie merkte wie zufrieden ihr Mann am Steuer saß, entspannte sie sich endlich und schmiegte sich in den weichen Ledersitz.
„Erinnerst du dich an das Lied, das damals im Radio lief, als sich unsere Hände fast berührten?“, fragte Edward und sah Bella herausfordernd an.
„Edward! Du weißt genau, dass ich mich nicht mehr an alles aus dieser Zeit erinnern kann“, ermahnte sie ihn und wusste natürlich genau, dass damals „Run“ von Snow Patrol im Radio lief. Weil sie ihm die Freude lassen wollte, stellte sie sich unwissend und wartete nur darauf, dass die ersten Töne durch die Boxen der Lautsprecher summten. Und tatsächlich. Die weichen Härchen auf ihren Armen stellten sich auf, als das Lied anfing.
„Ich habe gar nicht gewusst, dass man als Vampir Gänsehaut bekommen kann“, sagte Bella und gab ihrem Mann einen langen Kuss. Sie wusste, dass er auch ohne auf die Straße zu schauen, alles wahrnahm, was da draußen vor sich ging. Obwohl sie seinen Schutz nun wirklich nicht mehr brauchte, liebe sie es trotzdem, dass er ihr das Gefühl der vollkommenen Sicherheit gab.
„Übrigens danke, dass ich dich nicht erst überreden musste. Ich weiß, wie ungern du auf dem Präsentierteller liegst. Aber meinen Freundinnen lag so viel daran, dich kennenzulernen“, sagte sie und konnte nicht damit aufhören, ihre Lippen auf seine zu pressen.
„Gern geschehen. Du weißt doch, dass ich alles für dich tue. Auch wenn ein Abend alleine mit drei Frauen hart an der Grenze ist“, sagte er lächelnd.
Mit geschlossenen Augen brachte Edward das Auto direkt vor dem kleinen Haus von Savannah und Drew zum stehen. Eine Weile saßen sie noch wild knutschend im Wagen und konnten die Hände einfach nicht voneinander lassen.
„Edward Cullen, du bist fast hundert Jahre alt und benimmst dich noch immer wie ein Teenager“, ermahnte ihn Bella streng und fing im gleichem Moment an zu kichern.
„Du hast doch angefangen“, lachte Edward und leckte sich genüsslich über die Lippen, als hätte er gerade etwas unwiderstehlich Süßes geschmeckt.  
Bella stieg aus dem Auto und wischte sich den verschmierten Lippenstift aus dem Gesicht. Dann widerholte sie dieselbe Prozedur bei Edward. „Himbeerrot steht dir wirklich nicht“, rümpfte sie die Nase und nahm ihn bei der Hand.   

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